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NACHHALTIGKEIT & MANAGEMENT

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KOMMUNAL DIREKT November / Dezember 2016

Kritisch verfolgen Experten und Prüfinsti-

tutionen die Vergabe öffentlicher Aufträge

in Form von Großlosen. Diese Praxis ver-

stoße gegen geltendes Recht, verteure die

Projekte und führe nicht selten zu erheb-

lichen Qualitätsmängeln.

„Über vielen Kommunen schwebt das

Damoklesschwert, dass Vergaben von den

Aufsichtsbehörden beanstandet und gegebe-

nenfalls Zuschüsse zurückgefordert werden“,

so Norbert Porz. Der Dezernent und Verga-

beexperte beim Deutschen Städte- und Ge-

meindebund (DSTGB) beschreibt einen Tat-

bestand, der zunehmend für Ärger sorgt:

Weil die Personalressourcen knapp sind, wird

der Koordinierungsaufwand bei Aufträgen

reduziert. Dies geschieht durch die Bünde-

lung von Einzelleistungen. Etwa von Elektro,

Gebäudeautomation und Sicherheitstechnik

zu einem Paket „Technische Gebäudeausrü-

stung“. Dies jedoch ist oft rechtswidrig.

„Gebietskörperschaften und Unternehmen in

öffentlicher Trägerschaft bzw. mit wesent-

licher öffentlicher Beteiligung sind strikt an

die Vergabe- und Vertragsordnung für Bau-

leistungen (VOB/A) gebunden“, erläutert Dr.

Ulrich Dieckert, Rechtsanwalt und Experte

für Bau- und Vergaberecht in der Kanzlei

WRD Witt Roschkowski Dieckert. Gemäß § 5

VOB/A sind Leistungen „in der Menge aufge-

teilt (Teillose) und ge-

trennt nach Art oder Fach-

gebiet

(Fachlose)

zu

vergeben. Mehrere Teil-

oder Fachlose dürfen zu-

sammen vergebenwerden,

wenn wirtschaftliche oder

technische Gründe dies

erfordern“. Dieckert: „Da-

raus ergibt sich eindeutig,

dass die Fachlosvergabe

die Regel und die General-

vergabe eine gut zu begründende Ausnahme

darstellt.“ Daran habe auch durch die Verga-

berechtsreform 2016 nichts geändert.

„Technische Gründe“ sprechen in vielen Fäl-

len allerdings dagegen. So weist zumBeispiel

der BHE Bundesverband Sicherheitstechnik

e. V. darauf hin, dass Sicherheitstechnik fach-

lich von allgemeiner Elektrotechnik zu tren-

nen sei. „Kaum ein Betrieb kann eine

Gesamtplanung abdecken. Bei den unter­

schiedlichen Sicherungstechniken sind viele

spezifische Normen, Richtlinien und Bauvor-

schriften

zu

berücksichtigen“,

betont

BHE-Geschäftsführer Dr. Urban Brauer. Auch

die Untervergabe an einen Fachbetrieb löse

das Problem nicht, sondern schaffe ein

zusätzliches. Nicht nur, dass dem Generalun-

ternehmer das Know-how für eine qualifi-

zierteAusschreibungfehlt.„Einemangelhafte

Kalkulation setzt den Sub zeitlich und finan-

ziell derart unter Druck, dass ein sinnvolles

Sicherheitskonzept kaum mehr realisierbar

ist“, so Brauer.

Generalvergaben sind in aller Regel auch

nicht wirtschaftlicher. Norbert Porz vom

DSTDB verweist auf entsprechende Erfah-

rungen der Rechnungshöfe, nach denen sich

Projekte um bis 15 Prozent verteuern. „Paral-

lelausschreibungen haben gezeigt, dass Ge-

neralunternehmervergaben in der Regel zu

höheren Baukosten führen, da Generalunter-

nehmer für Wagnis und Gewinn sowie zur

Abdeckung ihres Koordinationsaufwands

kalkulatorische Zuschläge auf die Preise der

Nachunternehmer erheben“, so Hartmut

Herle, Sprecher des Landesrechnungshofs

Rheinland-Pfalz.

www.bhe.de

KD008

Die Gemeinde Kirchhundem hat eine histo-

rische Finanzwende geschafft. Bürgermeister

Andreas Reinéry und Kämmerer Tobias

Middelhoff konnten dieses Ergebnis freudig

verkünden. Getreu demMotto „Wer Probleme

lösen will, der findet auch Wege“ hat die Ge-

meinde Kirchhundem nach fünf Jahren in

der Haushaltssicherung den Haushaltsaus-

gleich geschafft. Zuvor ist dies keiner Kom-

mune in diesem Zeitraum gelungen. Der

Kämmerer präsentierte in einer Ratsson-

dersitzung am 13.04.2016 die vorläufigen

positiven Zahlen für den Jahresabschluss

2015. Demnach rechnet die Gemeinde mit

einem Überschuss von rund 199.000 €. Der

Ausgleich ist damit erreicht unddieGemeinde

aus der Haushaltssicherung „entlassen“

und sie hat somit wieder mehr Selbstbe-

stimmung und Gestaltungspielraum.

Auf der Ertragsseite hat die Gemeinde im ver-

gangenen Jahr vor allem bei Grund-, Ge-

werbe- und Einkommenssteuer die Ansätze

übertroffen. Zurückzuführen ist dies u. a. auf

die gute konjunkturelle Gesamtlage sowie

die positive Entwicklung der heimischen

Wirtschaft. Zudem verzeichnete die Gemeinde

beim Holzverkauf einen Mehrertrag. Auch

das Aussprechen von Haushaltssperren in

Höhe von rund 90.000 € tat ihr Übriges. Zu-

sätzlich unterstützten die Unternehmer im

Zuge von zweckgebundenen Spenden die

Gemeinde, so dass weitere Aufwendungen

reduziert werden konnten.

Demgegenüber standen 2015 wie in vielen

anderen Kommunen auch die Mehraufwen-

dungen im Bereich Asyl, die durch Zuwei-

sungen von Land und Bund nicht komplett

gedeckt werden konnten. Zudem kam es zu

verminderten Erträgen bei den Verwaltungs-

und Benutzungsgebühren sowie bei den

Stromkonzessionsabgaben. Trotzdem konnte

der prognostizierte Jahresüberschuss für das

Jahr 2015 um rund 166.000 € übertroffen wer-

den. Ein Teil des Überschusses wird zum Ab-

bau des entstandenen Investitionsstaus ver-

wendet. Mit Hilfe von Rückstellungen sollen

dringend notwendige Maßnahmen durchge-

führt werden, die durch den strikten Sparkurs

der letzten Jahre geschoben wurden. Hierzu

zählen vor allem die gemeindlichen Straßen,

aber auch die Schulen, die Feuerwehrgeräte-

häuser sowie das Rathaus selbst. Hier in-

vestiert die Gemeinde somit in ihre eigene

Zukunft.

Doch der Weg hin zum Haushaltsausgleich

war nicht leicht. Steuererhöhungen, Grund-

stücks- und Holzverkäufe sowie die Streichung

Historische Finanzwende in Kirchhundem

Gemeinde schafft den Haushaltsausgleich

Vergaben an Generalunternehmer

Mit Sicherheit ein Fall für die Aufsicht

Foto:

panthermedia.net/Maria

Reichenauer