Herr Binger, was hat die Corona Krise mit der Einführung der Getrennterfassungspflicht von Textilien ab dem Jahr 2025 zu tun?
Viele Sammler waren und sind immer noch damit konfrontiert, dass sie ihre Sammelware nicht mehr an Sortierbetriebe verkaufen können. Wer nicht über Lagermöglichkeiten verfügt, musste die Sammlung einstellen, sodass viele Depotcontainer entweder eingezogen oder vor Ort verschlossen wurden. Sogar Kommunalbetriebe wie beispielsweise in Hamburg oder Bremen haben die Sammlung eingestellt – das wird 2025 kaum möglich sein!

Der Annahmestopp der Sortieranlagen bezieht sich auf die massiven Absatzprobleme der sortierten Waren, demzufolge sind auch die Fertigwarenlager überfüllt. Es fehlt an Kapazitäten in Europa insgesamt, denn die steigenden Sammelmengen der kommenden Jahre können von den bestehenden Sortieranlagen nicht verarbeitet werden.

Das bedeutet, dass durch dieses Mengenpotential neue Sortier- und Recyclingkapazitäten geschaffen werden können?
Ja, es wird eingeschätzt, dass circa 2 Mio. Tonnen an neuen Sortierkapazitäten in Europa benötigt werden – aber die Alttextilbranche schlägt seit längerem Alarm, dass sich hochwertiges Textilrecycling insgesamt nicht mehr selbst finanzieren wird. Die Verkaufserlöse der Second-Hand Produkte werden zukünftig nicht mehr die Kosten der Sammlung, Transport, Sortierung und Verwertung insgesamt decken können. In dieser Situation ist somit nicht davon auszugehen, dass Unternehmen in diesen Markt investieren werden.

Was bedeutet das für bestehenden Sortierunternehmen?
Aufgrund der Übermengen können sich Sortierbetriebe ihre Sammelware zukünftig aussuchen. Sammelware, bei der die Qualität stimmt, ist sicherlich weiterhin gern gesehen. Insofern werden der sorgsame Umgang und das Handling allgemein bei der Erfassung noch wichtiger sein – es gilt schließlich die Wiederverwendung zu stärken.

Und die Sammler von Alttextilien?
Die Situation wird zunehmend schwieriger werden, wenn die Erlöse insbesondere bei sinkender Qualität der Sammelware nicht mehr den Aufwand der Erfassung decken. Innerhalb von Europa haben wir in Deutschland eine vergleichsweise hohe Sammelquote, die es zu halten gilt. Dafür ist aber ein anderer gesetzlicher Rahmen notwendig, um das heutige, hochwertige Textilrecycling weiterhin umzusetzen. Eine langfristige, enge Zusammenarbeit aller Akteure auf Augenhöhe kann sicherlich helfen, die bestehende Erfassungsstruktur optimal zu gestalten und aufrecht zu erhalten.

Aber ist das nicht die Quintessenz aus der Krise – außergewöhnlichen Situationen, gemeinsamen mit pragmatischen Lösungen zu begegnen?

Weitere Informationen unter:
www.fws.de
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