Unter Flüssigboden versteht man zeitweise fließfähige, selbstverdichtende Verfüllbaustoffe (ZFSV) auf Basis von aufbereitetem Erdaushub 0/20 mm, geprüften Recyclingbaustoffen oder natürlichen bzw. aufbereiteten Kalk-Sandstein- bzw. Sand-Kies-Gemischen 0/8 mm unter Zugabe definierter Additive und Wasser. Seit dem Jahr 2007 werden in Göttingen sämtliche Rohrgräben ausschließlich mit Flüssigboden verfüllt. Bereits seit 20 Jahren setzt man in der traditionellen Universitätsstadt in Südniedersachsen auf diesen Baustoff. Bisher wurde hier der von zwei Herstellern produzierte und von 42 Unternehmen verarbeitete Baustoff in einer Menge von fast 413.000 m³ in Rohrleitungsgräben eingebracht. Warum das so ist und man in Göttingen auf diese Bauweise auch weiterhin vertraut, erläutert Dipl.-Ing. Manfred Fiedler, der jahrelang die Stadt Göttingen in dieser Angelegenheit betreut hat:

Die Verantwortlichen der Stadt Göttingen arbeiten schon seit langer Zeit an einer Lösung zur Optimierung der Verfüllung von Rohrleitungsgräben. Hierfür gab es viele Gründe: Zum einen sind auch rund um Göttingen die Kiesreserven und der Deponieraum begrenzt. Aushubmaterial von der Baustelle zu entsorgen und alternatives Verfüllmaterial zu besorgen, wird daher immer schwieriger. Zum anderen findet man immer öfter auch Situationen auf Baustellen vor, bei denen es aufgrund beengter Platzverhältnisse nahezu unmöglich ist, eine optimale Rohrbettung – vor allem im Zwickelbereich – herzustellen. Weitere Kritikpunkte an einer konventionellen Verfüllung von Rohrleitungsgräben sind die starken Lärm- und Staubemissionen, die bei konventioneller Verfüllung üblicherweise auftreten und auch der hohe Kosten- und Zeitaufwand. Aus diesem Grund hat man ein Konzept zur Verfüllung von Rohrleitungsgräben entwickelt. Ziel war es, für die genannten Probleme eine Lösung zu finden. Seit dem Jahr 2007 ist in Göttingen daher ausschließlich Flüssigboden zur Rohrgrabenverfüllung zugelassen.

Verbesserung der CO2-Bilanz

Aber welche Vorteile bietet die Flüssigbodenbauweise? Es liegt auf der Hand, dass es Sinn macht, Bodenaushub ortsnah wiederzuverwenden, statt auf eine Deponie zu fahren, denn bei Baumaßnahmen anfallender Bodenaushub kann in situ gemäß § 2 des KrWG:2012 und § 12 der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV) von 1999 sowie nach ZTV E-StB:2009 am Ursprungsort wieder eingebaut werden, ohne Abfalleigenschaften zu durchlaufen. Die Umlagerung und Zwischenlagerung des Bodens sowie eine Aufbereitung auf anderen Grundstücken ist dabei möglich, soweit das Material der Baumaßnahme jederzeit eindeutig zugeordnet werden kann. Dieses Vorgehen schließt die Wiederverwendung von Gesteinskörnungen in Flüssigböden mit ein, soweit dadurch keine schädigenden Bodenveränderungen zu erwarten sind. In diesem Falle können nicht nur Ressourcen geschont und Deponiekosten eingespart werden, es entfallen auch zusätzliche Transportkosten für die Anlieferung von Schüttgütern und den Abtransport des Erdaushubs. Dies wiederum führt zu einer deutlichen Verbesserung der CO2-Bilanz der jeweiligen Baumaßnahme.

Bessere Qualität der Rohrbettung und Einsparung von Zeit und Kosten

Ein weiterer Vorteil dieser Bauweise ist die deutlich verbesserte Rohrbettung. Weil die bei konventioneller Rohrgrabenverfüllung vorgeschriebene lagenweise Verdichtung des Rohrgrabens meistens nur unzureichend erfolgt, ist die Qualität der Rohrbettung bei der Verwendung von Flüssigboden in fast allen Fällen als optimal zu betrachten. Die Erfahrungen aus Göttingen zeigen, dass eine Verlängerung des Lebenszyklus um ca. 25% stattfindet. Die Verantwortlichen in Göttingen gehen von einer Haltbarkeit des Kanalsystems von ca. 120 Jahren aus. Außerdem: mit Flüssigboden geht es deutlich schneller. Dank der fließfähigen Eigenschaften dieses Materials, lässt sich der Verfüllvorgang um ca. 25-30% verkürzen. Messungen ergaben, dass sich – bezogen auf die gesamte Baumaßnahme – immer noch ca. 5% Zeit einsparen lassen. Aber was ist, wenn Aufgrabungen erforderlich werden? Obwohl der Boden wie ein fließender Beton eingebracht wird, lässt er sich auch nach 10 Jahren noch problemlos mit einer einfachen Schaufel aufgraben. Das Material ist von seiner Konsistenz her „krümelig“, erfüllt aber dennoch alle Anforderungen an die Tragfähigkeit. Die Erfahrung gibt den Verantwortlichen in Göttingen recht: 97% der bis heute etwa 180 Kilometer mit Flüssigboden verfüllten Rohrleitungsgräben weisen bis heute keinerlei Schäden auf.

Bundesqualitätsgemeinschaft Flüssigböden e. V. (BQF) definiert Qualitätsstandard

Um den bisher noch nicht genormten Baustoff Flüssigboden mit einer transparenten und zielgerichteten Qualitätssicherung am Markt zu platzieren, hat sich seit dem Jahre 2010 die Bundesqualitätsgemeinschaft Flüssigböden e. V. (BQF) das Ziel gesetzt, Richtlinien für diese Qualitätssicherung zu definieren und deren Umsetzung in der Praxis sicherzustellen. Mitglieder der BQF sind neben Unternehmen, die Flüssigböden herstellen, auf Baustellen liefern und einbauen, auch Firmen, die Mischtechnologien für die Flüssigbodenherstellung entwickeln und vertreiben oder Bindemittelsysteme vermarkten, die zur zielsicheren Herstellung von Flüssigböden notwendig sind. Darüber hinaus wirken Wissenschaftler und akkreditierte Prüfinstitute in der BQF mit. Die Mitglieder der BQF arbeiten aktiv in verschiedenen Gremien und Arbeitskreisen und an der Entwicklung eines Regelwerkes mit dem Titel „Hinweise für die Erstellung und Verwendung von zeitweise fließfähigen selbstverdichtenden Verfüllbaustoffen im Erdbau“ (H ZFSV, FGSV-Nr.: 563) bei der Forschungsgesellschaft Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) mit oder unterstützen praxisrelevante Forschungsvorhaben.

Autor: Dipl.-Ing. Manfred Fiedler, Bovenden

Weitere Informationen unter:
www.bqf-fluessigboden.de
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