Auch die besten Architekten und Ingenieure stecken manchmal fest. Im Stau zum Beispiel. So erging es Dr.-Ing. E. Rüdiger Weng an einem Nachmittag im Jahr 2005 auf der A8 bei Stuttgart.

Weng, Bau- und Wirtschaftsingenieur sowie Unternehmensberater, war auf dem Rückweg von einem seiner Beratungstermine. Im Stau fiel sein Blick auf einen mit diversen Gütesiegeln plakatierten LKW. „Wieso hat jede Pommesbude ein Zertifikat, aber Architektur- und Ingenieurbüros nicht?“, fragte er sich. Als Ingenieur und Berater ist es E. Rüdiger Weng gewohnt, Probleme nicht nur zu identifizieren, sondern auch zu lösen. Nachdem seine Recherchen ergeben hatten, dass es tatsächlich kein spezielles Qualitätszertifikat für Planungsbüros gab, besprach er die Idee mit Bau- und Marketing- Experte Dr.-Ing. Knut Marhold.

Die beiden waren sich bereits als Doktoranden an der Universität Wuppertal begegnet und hatten fortan immer wieder an den Schnittstellen von Ingenieurwesen und Marketing zusammengearbeitet.
Die gemeinsam präzisierten Ideen schilderten sie dann in einem Fachartikel in der Zeitschrift „Planungsbüro professionell“ und riefen zur Teilnahme an einem Workshop zu dem Thema auf – Chefredakteur Günter Göbel war schnell von der Idee überzeugt.

„Es hat uns alle mitgerissen“

Gleich beim ersten Treffen Anfang 2006 wurden Nägel mit Köpfen gemacht: Die Teilnehmer beschlossen, mit dem TÜV Rheinland zusammen- zuarbeiten und ein Zertifikat für die erfolgreiche Implementierung eines Qualitätsmanagement- Systems für Planungsbüros zu kreieren. Auch Organisationsform und Name wurden festgelegt. Die Grundlagen für den „QualitätsVerbund Planer am Bau“ und das „QualitätsZertifikat Planer am Bau“ waren geschaffen.

Auch bei den Folgetreffen blieben alle mit am Ball – was bei dem begrenzten Zeitbudget von Planern keineswegs selbstverständlich ist. „Die Notwendigkeit eines solchen Zertifikats war einfach so deutlich, dass alle mitzogen“, vermutet Marhold. „Es hat uns alle mitgerissen.“

In den Folgetreffen erarbeiteten die Praktiker zusammen mit Unternehmensberater Weng, Marketingberater Marhold und Olaf Seiche vom TÜV die QM-Standards. „Die Mitarbeit von Praktikern bei der Festlegung der Standards zeichnet das QM-System Planer am Bau bis heute aus“, sagt Weng.

So legten die Praktiker Wert darauf, dass die Standards keine unnötigen bürokratischen Hürden aufbauen, die von zweifelhaftem Wert für den Unternehmensalltag wären. Dieses Vorgehen führte dazu, dass das QM-System Planer am Bau schlanker ist als andere Zertifizierungssysteme wie zum Beispiel die ISO 9001. Marhold bringt es auf eine einfache Formel: „Großer Nutzen bei geringen Kosten. Darauf achteten die Praktiker in den Planungsbüros nicht nur bei ihren Projekten.“

Das QM-System Planer am Bau entstand in Teamarbeit: Jeder bringt ein, was er kann. Auch das erste QM-Handbuch schrieb E. Rüdiger Weng gemeinsam mit einem Teilnehmer aus den Anfängen, dem Architekten Oliver Hofmann. Daraus wurde dann das erste Muster-QM- Handbuch, das seitdem immer weiter optimiert wird. Auch hier gilt: Weniger ist mehr! „Wir wollen nicht durch ein dickes Handbuch glänzen,“ erläutert Weng, „sondern durch eines, das in den Büros gelesen und gelebt wird.“

Die Gründungsmitglieder waren die ersten Büros, die sich im Juli 2007 mit dem QualitätsZertifikat Planer am Bau schmücken konnten. Nun ging es darum, mehr Büros für das QM-System zu gewinnen. „Am Anfang war das natürlich nicht einfach, wenn die Interessenten uns gefragt haben, wie viele denn schon dabei sind“, erinnert sich Knut Marhold.

Mitgliederschub durch Klausurwochenenden

Das änderte sich, als die Initiatoren gemeinsam mit Prof. Dr. Hermann Hütter von der Hochschule Karlsruhe – eines seiner Lehrgebiete ist das QualitätsManagement – sogenannte Klausurwochenenden einführten. Ursprünglich waren sie gedacht, um den Weg der Büros zur Zertifizierung zu beschleunigen. Unter der Anleitung von Marhold, Weng und Hütter sowie mit Unterstützung seiner Studierenden erarbeiten die Teilnehmer an nur einem Wochenende ihr individuelles QM-Handbuch. Die intensive Arbeitsatmosphäre an diesen Wochenenden, der Austausch von Praktikern, Experten und Studierenden reißt alle Teilnehmer mit.
„Der Funke springt immer über“, freut sich Marhold. „Kein Einziger verlässt diese Wochenenden ohne die Überzeugung, dass unser System den Planeralltag tatsächlich erleichtern und verbessern kann.“ – „Und auch für uns selbst sind diese Wochenenden ein Highlight“, ergänzt Weng. „Sie motivieren uns immer wieder aufs Neue, weil sie uns zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind.“

Mittlerweile sind über 370 Architektur- und Ingenieurbüros Mitglied im QualitätsVerbund Planer am Bau

„Trotz unserer Erfolge stehen wir erst noch am Anfang der Entwicklung“, glaubt Weng. „Irgendwann wird das QualitätsZertifikat Planer am Bau das Gütezeichen im Planungswesen sein. So selbstverständlich wie eine TÜV-Plakette auf Elektrogeräten.“ Schon jetzt genießt das QualitätsZertifikat bei Industriekunden und öffentlichen Auftraggebern großes Ansehen und wird bei Ausschreibungen als Pluspunkt gewertet oder sogar explizit gefordert.

Auch kleineren Planungsbüro Chancen eröffnen

Bei allem Engagement für den QualitätsVerbund: Dr.-Ing. E. Rüdiger Weng und Dr.-Ing. Knut Marhold leben beide weiterhin von ihren Tätigkeiten als Unternehmens- bzw. Marketingberater für die Bauwirtschaft. Was motiviert sie über so lange Zeit? – „Zu sehen, dass wir den Büros tatsächlich weiterhelfen, und dass auch kleine Büros ein Zertifikat erwerben können. Auch den Einmann-Büros geben wir eine Chance. Es freut mich riesig, wenn dann ein Mitgliedsbüro eine Ausschreibung gewinnt, bei der es früher mangels Zertifikat aussortiert worden wäre“, sagt Weng. Und dann gibt es da noch den Traum eines jeden Architekten und Ingenieurs: „Wir haben etwas Nachhaltiges geschaffen. Das wird Bestand haben, auch noch nach unserer Zeit.“

Weitere Informationen unter:
www.planer-am-bau.de
KD2301066
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