Versiegelung, Bodenverarmung und falsche Wassernutzung haben entscheidenden Anteil an Dürren und Fluten. In unseren Städten kann Regenwasser nicht mehr versickern und verdunsten wie in der Natur. Stattdessen landet Regenwasser zusammen mit Abwasser sofort in der Kanalisation und fehlt sowohl dem Grundwasser als auch der Atmosphäre. In der Folge sind sowohl Überhitzung als auch Starkregen vorprogrammiert.
Ein Teufelskreis, der sich dann durchbrechen lässt, wenn eine Wasserbilanz – nach Bebauung – so nah als möglich an der natürlichen Wasserbilanz liegt. Gegenüber der seitherigen Vorgehensweise muss dabei insbesondere ein deutlich höherer Verdunstungsanteil erzielt werden. Ein bisher zu wenig beachtetes Potenzial liegt dabei auf den Dachflächen. Werden diese entsprechend begrünt und auch gezielt in Wasserkreisläufe eingebunden, tragen sie elementar dazu bei, eine der Natur entsprechende Wasserbilanz in Städten zu erzielen. Dank neuester Dachbegrünungstechnik wie dem ZinCo-Systemaufbau „Sponge City Roof“ muss das keine Vision bleiben.
Politik und Gesellschaft ringen um Lösungen für die allgegenwärtigen Klimafolgen. Hochbau-, Tiefbau- und Landschaftsplaner, Fachleute der Siedlungswasserwirtschaft und Bauherren haben gemeinsam das Ruder in der Hand, grüne und blaue Infrastruktur im Bestand und Neubau zu realisieren. Angefangen von Einzelgebäuden über ganze Quartiere und Siedlungen lässt sich schließlich die ganze Stadt in eine Schwammstadt (Sponge City) verwandeln. Der Begriff verdeutlicht, dass Wasser wie von einem Schwamm dort aufgenommen, gespeichert, verwendet, versickert und verdunstet wird, wo es anfällt, nämlich in der Stadt.
Wasser braucht Raum und Zeit
Es braucht dazu vor allen Dingen grüne Infrastruktur in Städten, denn jede Pflanze speichert und verdunstet Regenwasser. Eine Vegetationsfläche verdunstet sogar mehr Wasser, als es eine Gewässeroberfläche vermag. Ein natürlicher Wasserhaushalt weist in der Regel Verdunstungsanteile von mehr als 50 Prozent des Jahresniederschlags auf. Dieser Zielwert kann in Städten nur über mehr Bepflanzung erreicht werden: mit Gebäudebegrünungen, Parks, Alleen, Stadtbäumen, Tiny Forests, Gärten, Laubengängen, Straßenbegleitgrün und begrünten Lärmschutzwänden. Für Regenwasser-Verdunstung und Versickerung braucht es Pflanzen, die das leisten, und alle diese Prozesse brauchen Zeit – genau wie in der Natur. Wasserkreisläufe verlangsamen ist also die Devise.
Zur blauen Infrastruktur gehören Mulden und Tiefbeete, Baumrigolen, Rückhaltespeicher wie Zisternen und Sickertunnel, kurzfristig (über-) flutbare öffentliche Plätze und natürlich Gewässer als solches: Flüsse, Teiche, Tümpel und auch Wasserbrunnen. Versickerungsfähige Verkehrs- und Parkflächen sind hier ebenfalls zu nennen und dienen dem Hochwasserschutz.
Dem Wasser muss mehr Zeit und Raum gegeben werden, um die regionalen Wasserkreisläufe wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Diese sind dabei für das lokale und regionale Wettergeschehen entscheidender, als viele denken. Oft wird angenommen, dass niederschlagsbringende Wolken vor allem über Weltmeeren entstehen. „Das ist aber nicht der Fall“, betonen die Autoren Ute Scheub und Stefan Schwarzer in ihrem Buch ‚Aufbäumen gegen die Dürre‘. „Ungefähr die Hälfte aller Niederschläge, die auf Kontinente fallen, wird vom Land selbst produziert, und davon bis zu 80 Prozent von Pflanzen. Je größer der Abstand einer Region zum Meer, desto höher steigt der Prozentsatz des vom Land produzierten Niederschlags und erreicht in manchen Gebieten sogar über 90 Prozent.“ Dazu braucht es allerdings intakte Klimalandschaften.
Wolkenbildung
Sind genügend Grünflächen vorhanden und die Wasserkreisläufe verlangsamt, kann mehr verdunsten, es entsteht mehr Kühlung, mehr Wolken, ergo auch schneller wieder Niederschlag.
Fehlende Vegetation hingegen erhöht die Temperatur am Boden und schafft Hochdruckzonen, die das Vordringen feuchter Luftmassen behindern. Lokale Trockenheit ist oft die Folge.
Die Aufheizung bedeutet gleichzeitig intensivere Niederschlagsereignisse, denn Starkregen hängt mit der Tatsache zusammen, dass warme Luft mehr Feuchtigkeit aufnehmen kann. Wenn feuchtwarme Luft aufsteigt und sich währenddessen abkühlt, bildet sich Wasserdampf (konvektive Wolken). Dieser kondensiert zu Wasser und setzt dabei Wärme frei, welche den Auftrieb verstärkt. Solch konvektive Wolken treten lokal auf und entladen sich rasch – häufig mit Gewitter und Hagel.
Ziel muss also sein, mit grüner und blauer Infrastruktur in den Städten wieder einen naturnahen Wasserkreislauf abzubilden. Zur Stadtklimatisierung, zum Hochwasserschutz und auch zum Artenschutz.
Das Pozential der Dächer
Dächer stellen einen Einflussfaktor dar, der allein aufgrund ihrer schieren Fläche nicht zu unterschätzen ist. Leider werden aktuell nur rund 8 Prozent der neu entstandenen Flachdächer in Deutschland überhaupt begrünt – laut Daten aus dem Marktreport des Bundesverbands GebäudeGrün. Ausgereifte Dachbegrünungstechnik ist seit Jahrzehnten verfügbar. Und ZinCo hat das Spektrum des Machbaren im Verlauf der letzten Jahre deutlich erweitert. Ausgehend vom Gedanken, wieviel Wasser die gewünschte Bepflanzung benötigt und wie Staunässe sicher vermieden werden kann, kamen Fragestellungen hinzu: „Wie lässt sich der Wasserrückhalt maximieren?“, „Welche Pflanzen verdunsten besonders viel Wasser?“ und „Vertragen diese auch Grauwasser?“. ZinCo hat Antworten gefunden und mit den Systemaufbauten „Retention-Gründach“ bzw. „Klima-Gründach“ den Wasserrückhalt bzw. die Verdunstungsleistung deutlich maximiert. Jetzt kommt der Systemaufbau „Sponge City Roof“ hinzu und selbst dieser wird nicht das Ende der technischen Entwicklungen darstellen.
Neuer Systemaufbau „Sponge City Roof“
Der neue Systemaufbau „Sponge City Roof“ verfolgt das Ziel, das in einer Regenphase anfallende Wasser, das nicht weiter von den Pflanzen und vom Substrat aufgenommen werden kann, längerfristig auf dem Dach einzustauen anstatt ungenutzt der Kanalisation zuzuführen. Zum Vergleich: Das bekannte „Retention-Gründach“ fängt Starkregen innerhalb seiner Retentions-Spacer effektiv auf und leitet das Regenwasser je nach Einstellung der Drossel über den begrenzten Zeitraum von 24 bis 48 Stunden vom Dach wieder ab. Beim Systemaufbau „Sponge City Roof“ hingegen wird das eingestaute Regenwasser nicht abgeleitet, sondern den Pflanzen verfügbar gemacht. Dazu dient ein Dochtvlies auf dem Retentions-Spacer, dessen Dochte in das Wasserreservoir hineinragen und das Wasser kapillar nach oben in die Substratschicht (Wurzelraum) transportieren. Die Pflanzen holen sich stets nur so viel Wasser, wie sie benötigen, und haben in Trockenzeiten noch lange Nachschub. Ihnen stehen bis zu 55 Liter Wasser pro Quadratmeter zusätzlich zur Verfügung, das sie langsam verdunsten können. So ist man der natürlichen Wasserbilanz ein Stück näher.
Die durch Phasen von hohem Wasserangebot und Wasserknappheit sich dynamisch entwickelnde Vegetation wird sich grundsätzlich üppiger und artenreicher entwickeln als ohne diese Art der Anstaubewässerung. Falls an die Vegetation noch höhere Ansprüche gestellt werden, kann eine Zusatzbewässerung mit Grauwasser wie beim „Klima-Gründach“ installiert werden. Wenn Nachschub da ist, verdunsten die Pflanzen natürlich ständig Wasser und begünstigen damit die natürliche Wasserbilanz weiter.
Last but not least dient der Systemaufbau „Sponge City Roof“ auch direkt dem Hochwasserschutz, denn im Falle von Starkregenereignissen füllen sich nicht nur die Retentions-Spacer. Wasser wird dann sogar in die Substratschicht hinein gestaut und innerhalb von 24 bis 48 Stunden über die Drossel wieder abgeleitet. Dieses kurzzeitige Einstauen im Extremfall ist unproblematisch und nicht zu verwechseln mit Staunässe, bei der Pflanzenwurzeln Schaden nehmen würden. Sicherheitshalber sollten übrigens in der Vegetationspause im Winter die Anstauscheiben unter der Drossel entnommen werden, damit sich keine Eisschicht auf dem Dach bildet.
Optionen für Neubau und Bestand
Generell kann man mit den leichten Retentions-Spacern das gewünschte Wasserspeichervolumen auf dem Dach gewichtssparender realisieren als es mit einem Mehr an Substrat möglich wäre, dessen Eigenvolumen und Eigengewicht hinzuzurechnen ist.
Natürlich muss die Statik auf das erwartbare Zusatzgewicht für zwischengespeichertes Wasser auf dem Dach ausgelegt sein.
Im Neubau ist dies problemlos zu berücksichtigen und ebenso die zusätzliche Aufbauhöhe, welche der jeweilige Systemaufbau erfordert. Bei Bestandgebäuden allerdings wird eine differenzierte Betrachtung erforderlich. Abhängig vom Gebäude wird möglicherweise eine statische Ertüchtigung ein Weg sein, der in Erwägung zu ziehen ist.
Ein derzeit noch revolutionärer Gedanke wäre, die grundsätzlich für ein Gebäude veranschlagte statische Reserve für „Schneelast“ umzumünzen in eine „Wasserlast“. Denn schließlich ist allein das Gewicht und nicht der Aggregatszustand des Wassers für die Statik ausschlaggebend. Dadurch, dass in der kalten Jahreszeit die Anstauscheiben des „Sponge City Roof“ entnommen werden, damit sich keine Eisschicht bildet, ist folglich der mögliche Wasseranstau um diese 55 Liter pro Quadratmeter geringer als im Sommer. Insofern wird die Situation ausgeschlossen, dass Schneelast und maximaler Wasseranstau zeitgleich auf dem Dach stattfinden.
Bei zukünftigen Überarbeitungen der Regelwerke wird dieser Ansatz in Betracht zu ziehen sein, um auch den Bestandsgebäuden den Weg für Dachbegrünungen zu ebnen und damit die Umsetzung der Schwammstadt zu erleichtern.
Ideen zur Vernetzung
Viele weitere Optionen bietet auch die Vernetzung von mehreren Dachflächen, Stichwort Kaskadenentwässerung. Sind in einem Quartier beispielsweise Tiefgaragen vorhanden, könnten diese statisch belastbaren bzw. dafür ertüchtigten Decken mit Retentions-Spacern (auch höheren Varianten) ausgestattet werden und damit Wasserrückhaltevolumen auch für höher liegende Dachflächen vorhalten. Auch Bestandsdächer, die selbst keinen oder nur geringen Wasserrückhalt leisten können, würden dann auftreffendes Regenwasser nicht direkt in die Kanalisation, sondern in die Retentionsebene auf der Tiefgarage weitergeben. Auf der Tiefgarage profitieren dann Intensivbegrünungen vom Wassernachschub ringsum und können ihre vergleichsweise hohe Verdunstungsrate über längeren Zeitraum aufrechterhalten. Sofern auch dieses Volumen gefüllt ist, kann das „Zuviel an Wasser“ dann Versickerungsmulden zugeführt werden.
Noch weiter gedacht, sind Gebäude- und Quartierslösungen gefragt, die das Wasser und seine Nutzung ganzheitlich betrachten und generell in Kreisläufen führen. Dachflächen sind dann genauso wie Zisternen in das System integriert und halten Regenwasser für die Pflanzen, aber auch zur Nutzung für den Menschen vor, wie zum Beispiel für die Toilettenspülung. Umgekehrt sollte vom Menschen verwendetes, sogenanntes „Grau-Wasser“ (also Waschmaschine, Duschen usw. ausgenommen Toilette) gesammelt und wiederaufbereitet werden. So könnte auch Wasser, das am Ende einer Kläranlage anfällt, rückgeführt und genutzt werden, denn dieses ist für Toilettenspülungen und zur aktiven Bewässerung von Dachbegrünungen und anderen Pflanzen verwendbar. Darüber hinaus lassen sich diese Systeme digital mit Wetterdaten koppeln, um Rückhaltevolumen vor Starkregenereignissen gezielt zu entleeren.
Wie weit gehen Vorschriften?
Das Regelwerk DWA–A 102 fordert seit Dezember 2020 für neu erschlossene Siedlungsgebiete den Nachweis, dass der lokale Wasserhaushalt nach der Bebauung dem Zustand vor der Bebauung entspricht. Letzteren eruiert man anhand langjähriger Jahresmittelwerte für den Direktabfluss, die Grundwasserneubildung und die Verdunstung anhand von Flächenkenndaten und der geographischen Lage. In der Folge sind bei der Planung eines Neubaus konkrete Einleitungsbeschränkungen zu beachten, welche von der Kommune in der Bauleitplanung festgesetzt werden. Mitunter erzielt eine Baumaßnahme oder zumindest einzelne Teilflächen sogar eine Überkompensation, das heißt der Zustand nach der Bebauung hat eine ökologisch günstigere Wasserbilanz als zuvor.
Mehr auf Freiwilligkeit beruhen Maßnahmen, welche zum Beispiel der Aktionsplan „Natürlicher Klimaschutz“ oder die „Nationale Wasserstrategie“ des Bundesministeriums für Umwelt forcieren. Zukünftige Gesetze und Regelungen werden weiterreichen und zum Beispiel alle Maßnahmen fordern und fördern, die Wasser in der Landschaft speichern, statt es abzuleiten. Die konsequente Flächenentsiegelung, die Wiederbegrünung und ein anderer Umgang mit dem Wasser fördern die Wiederherstellung der natürlichen Wasserbilanz. Die technischen Lösungen dafür sind vorhanden und müssen nur genutzt werden. Auch und gerade auf Dächern.
Autor: Dieter Schenk, Geschäftsführer der ZinCo GmbH