Wie Kommunen mit der richtigen Strategie ihre Transformation voranbringen
Autor: Thomas Anderer, CEO efeuCampus Bruchsal Innovationszentrum GmbH, www.efeucampus-bruchsal.de
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Für die meisten Kommunen bedeutet die Corona-Krise eine deutliche Zäsur, wie eine Umfrage unter 200 Kreisen, Städten und Gemeinden im Auftrag des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu)(1) zeigt. 42 Prozent befürchten einen starken Rückgang ihrer Einnahmen, 53 Prozent erwarten immerhin tendenziell sinkende Einkünfte. Die Krise und auch die Ende März 2020 veröffentlichte Studie „Update Digitalisierung – Wie smart sind Deutschlands Kommunen?“(2) verdeutlichen: Kommunen wollen ihre Transformation vorantreiben und machen dabei auch Fortschritte. Der Difu-Studie zufolge rechnen rund 90 Prozent mit einem Transformationsschub bei der Verwaltung. Es zeigt sich, dass die Transformation mehr denn je notwendig ist – und Kommunen trotz finanzieller Engpässe investieren müssen, unter anderem, um auf künftige Krisen besser vorbereitet zu sein. Für eine erfolgreiche Transformation brauchen Kommunen deshalb eine Strategie, die dabei hilft, unnötige Ausgaben nachhaltig zu reduzieren. Die Menschheit befindet sich nicht nur in einer digitalen, sondern in einer allumfassenden gesellschaftlichen Transformation. Die Digitalisierung ist dabei ein „technisches Hilfsmittel“, um die Transformation effizienter und effektiver zu gestalten, und, um schnell zu konkreten Ergebnissen zu kommen. Der technologische Wandel, der sich früher in 100 Jahren vollzogen hat, erfolgt nun in etwa 15 Jahren. Es ist in den kommenden Jahren ein exponentielles Wachstum an Technik zu erwarten. Und diese schnellen Entwicklungen machen auch vor Kommunen keinen Halt.
Kommunen müssen in der Zukunft denken und in die Zukunft investieren
Viele Kommunen kämpfen mit der konkreten Umsetzung von Transformationsprojekten. Die Mehrheit der Städte und Gemeinden befindet sich hier noch am Anfang. Weniger als 20 Prozent sind in der konkreten Umsetzung – und nur jede zehnte Kommune ist hier
1https://difu.de/sites/default/files/media_files/2020-05/difu-berichte-2020-2.pdf.
2https://www.de.digital/DIGITAL/Redaktion/DE/Publikation/stadt-land-digital-update-digitalisierung.pdf?__blob=publicationFile&v=7.
weiter vorangeschritten. Das liegt nicht zuletzt an den vielen Aufgaben, mit denen es Kommunen zu tun haben. Denn nur, wer ein attraktives Wohn-, Arbeits- und Unternehmensumfeld bietet, kann sowohl durch junge, neue Organisationen als auch durch bereits lange etablierte Unternehmen und Mitarbeiter Geschäftsmodelle sowie Arbeitsplätze der Zukunft entstehen lassen. Für viele Kommunen ist nicht die Transformation per se die größte Herausforderung – vielmehr gilt es, die veränderten gesellschaftlichen wie technischen Entwicklungen zu antizipieren und in das Denken und Handeln einfließen zu lassen. Das Problem: Sie agieren nicht zielgerichtet und strategisch. Es fehlt an einer gesamtstrategischen Sichtweise für die Kommune. Projekte mal hier, mal da anzustoßen, ist typisch. Zugleich mangelt es an Geld zur Umsetzung. Bisher sind zwar schon rund 60 Prozent der Kommunen in der Konzeptionsphase. Es fehlen aber punktuelle Angebote, um sie besser in ihrer Transformation zu unterstützen.
Prozesse neu durchdenken
Größere Unternehmen, die ihre Transformation vorantreiben, etablieren sogenannte Digitallabore – die man auch als Innovation-Hubs beziehungsweise Innovation-Labs bezeichnet. Dabei handelt es sich um eine Organisationseinheit, die sich die digitale Transformation auf die Fahne geschrieben hat – und aus Mitarbeitern unterschiedlichster Fachbereiche und Positionen besteht. Diese Gruppierung stößt Vorschläge und konkrete Umsetzungsprojekte an. Ein erster guter Schritt, aber keine wirkliches Treiberinstrument. Untersuchungen belegen, dass von Unternehmen selbst betriebene Innovationslabs nicht wirklich zukunftsweisende Ergebnisse liefern. Diese sind nur dann erfolgreich, wenn agile Strukturen und agiles Denken durch junge Menschen (Generation Z) und Know-how aus Start-ups ergänzt werden, die über einen barrierefreien Blick neue Gedanken zulassen. Kommunen sind allerdings aus Ressourcengründen nicht in der Lage, eigene Innovation-Hubs aufzustellen – sowohl in personeller als auch in finanzieller Hinsicht. Daneben fehlt der netzwerküberspannende Zugang zu Experten und jungen Köpfen, die für die großen Herausforderungen ein agiles und barrierefreies Vorausdenken ermöglichen. Statt mit lang erprobten und häufig mit nicht ergebnisoffenen Klausurformaten zu arbeiten, müssen sich insbesondere die Kommunen als gesellschaftliche Basisplattform neuen agilen Formaten öffnen und in einen mehrstufigen Fahrplan übergehen:
1. Über Co-Kreation in das neue Morgen starten
Da Kommunen keine eigene Organisationseinheit für eine Innovationslab aufstellen können, ist es notwendig, sich von Experten beraten zu lassen. In einem Innovations-Workshop, den Mitarbeiter von Kommunen – darunter bestenfalls eine möglichst breite Mischung, von der Führungskraft bis hin zum Auszubildenden und unter Einbindung eines umfassenden Ökosystems (bestehend aus Partnern wie Start-ups o. ä.) – zu initiieren. In der ersten Phase, dem sogenannten „Deep-Dive“, entwickeln die Teilnehmer ein Verständnis für die Herausforderungen der Kommune in der Zukunft und der Ist-Situation.
Durch Vorträge erhalten alle Beteiligten eine einheitliche Sicht auf Fragestellungen und mögliche Zukunftsperspektiven. Dabei stehen im gesamten Verlauf „Was-wäre-wenn-Szenarien“ im Fokus – stets mit dem Blick gen Zukunft gerichtet. Das Vorausdenken soll dabei helfen, neue Perspektiven und Ansatzpunkte kennenzulernen und diese Einstellung als tragende Säule des Workshops zu etablieren. Dort lassen sich konkrete Fragestellungen zu verschiedenen Themenbereichen aufrufen, darunter zur letzten Meile,zu Logistik, Mobilität, Energie, New Work, Smart City oder auch zu Smart Country. Jede Stadt oder Gemeinde hat eine andere Themenagenda, andere Fragestellungen, andere Herausforderungen, die die Zukunft bringen und sucht nach individuellen Antworten, die zukunftsweisend und gleichzeitig nachhaltig sind. Folgende übergeordnete Fragen helfen den Teams:
Welche Merkmale prägen meine Kommune im Jahr 2050?
Was wäre, wenn die Kommune morgen neu gegründet werden würde?
Wie würde die Zukunfts-DNA meiner Kommune aussehen?
Wie sieht die Vision oder die Mission für meine Kommune im Jahr 2050 aus?
Welche Maßnahmen aus 2020/21 haben meine Kommune maßgeblich geprägt und erfolgreich gemacht?
Welche Entscheidungen haben wir im Jahr 2020/21 getroffen, die positive Entwicklungen für die Kommune im Jahr 2050 und die dort lebenden Bürger gebracht haben?
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Auf Basis dieser Fragestellungen fließen weitere konkrete Fragestellungen zu Smart City, E-Mobilität, Leben im Alter, etc. ein, um die konkreten Bedürfnisse nach Antworten für die einzelnen Kommunen zu beantworten. Denn jede Kommune verfügt über unterschiedliche demografische Strukturen, andere finanzielle Mittel etc. Das „Von-vorne-rückwärts-Szenario““ hilft, sich auf zukünftige Entwicklungen zu fokussieren und zu prüfen, wie der ideale Ist-Zustand hinsichtlich der Transformation einer Kommune zu diesem Zeitpunkt aussieht. Dadurch lassen sich Pläne und Strategien so konkret wie nur möglich gestalten. Ziel ist es, am Ende eine Handlungsempfehlung zu entwickeln, aus der sich mehrere konkrete Maßnahmen aus den zuvor gestellten Herausforderungen und entsprechenden Lösungen ableiten lassen und daraus für die jeweilige Kommune eine anwendbare Zukunft entwickelt wird.
2. Kreative Ideen der jungen Mitarbeiter
Innerhalb der zweiten Phase erarbeiten ausschließlich jüngere Mitarbeiter (Studenten, Azubis) gemeinsam mit dem Ökosystem in Gruppen Fragestellungen oder eigene, barrierefreie Ideen und Konzepte, die nicht gesellschaftlichen, gesetzlichen, politischen oder technologischen Zwängen unterliegen. Ziel dieser zweiten Phase ist es, erste MVPs (Minimal Viable Products) zusammenzustellen und die zukünftigen Herausforderungen als Unternehmensstrategieansatz zu formulieren. Dies ist in unterschiedlicher Form denkbar, etwa Videos, Animationen, 3D-Drucke, funktionsfähige Prototypen oder innerhalb einer PowerPoint-Präsentation.
3. Nichts ist unmöglich
Nun kommen alle Teilnehmer zusammen und die Azubis bzw. Studenten stellen ihre Lösungsansätze im Rahmen 20-minütiger Pitches vor. Daraufhin folgt eine Co-Kreation, in der alle Beteiligten ihre Sichtweise oder ihre Meinung zu den Lösungen einbringen. Die Verantwortlichen der Kommunen bewerten anschließend die Pitches der jungen Kollegen. Anschließend geht es darum, die zuvor in Phase 1 gesetzten Ziele sowie die entwickelten Ideen und Lösungen zu diskutieren, um ein gemeinsames Verständnis für die jeweilig anderen Teilnehmer und deren Mindsets zu gewinnen. Es geht schließlich darum, eine möglichst „barrierefreie“ Vision zu entwickeln, die alle Beteiligten mittragen.
4. Jetzt schon an Morgen denken
Alle Beteiligten clustern in dieser Phase nun entwickelte Themen und führen diese zusammen. Welche Ideen, Lösungen, Maßnahmen lassen sich umsetzen? Was spricht vielleicht dagegen? Wichtig ist, hierbei immer zu hinterfragen, ob es möglicherweise auch alternative Lösungen geben könnte, die auf den ersten Blick nicht zu erkennen sind. Gemäß des „Von-vorne-rückwärts-Szenarios“ entwickeln die Teilnehmer fünf konkrete Maßnahmen für das erste Jahr sowie zehn konkrete Maßnahmen für das zweite Jahr nach dem Workshop, um diese gemeinsam umzusetzen. Die Beteiligten erstellen in Gruppen dafür einen Pressebericht mit Blick auf das Jahr 2050 und können dadurch begründen, welche Entscheidungen für die Kommune im Jahr 2020/21 entscheidend waren. Nach Abschluss des Workshops geht es dann an die Umsetzung: Es ist nun wichtig, die geplanten Maßnahmen mittels Unterstützung durch das Ökosystem in die Realität umzusetzen.
Wer zu spät kommt, den bestraft die Zukunft
Nicht zuletzt die Corona-Krise macht deutlich, dass Kommunen unter Zugzwang stehen. Denn an der konkreten Transformationsstrategie und an der Umsetzung mangelt es vielerorts aufgrund fehlender finanzieller Mittel und dem Transformationsbewusstsein der Verantwortlichen. Die Transformation verlangt von Kommunen ein zielgerichtetes und agiles Vorgehen – und, den Wandlungsprozess zeitnah zu initiieren. Wichtig ist, dass Kommunen im Zuge dessen nicht nur bestehende Prozesse und Tools optimieren, sondern auch komplett neue, innovative Ansätze und Geschäftsmodelle verfolgen.
(Autoreninfo))Thomas Anderer, CEO der Innovationszentrum efeuCampus Bruchsal GmbH und Innovationscoach des Beratungsunternehmens Anderer + Partner, ist Experte für Smart City und Digitale Transformation. Zuvor war er bereits Vorstand und Manager der 4
Pixelpark AG, der ID-Media AG und Aerome AG sowie Geschäftsführer der Business ImpulsGmbH.
((Autorenfoto))Thomas_Anderer_CEO.jpg((Bildunterschrift))Thomas Anderer, CEO des Innovationszentrum efeuCampus Bruchsal (Quelle: Thomas Anderer)
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