Nur Schädlingsbekämpfende und geschulte Mitarbeitende dürfen in Deutschland Antikoagulanzien der 2. Generation zur Rattenbekämpfung einsetzen. Bei dem Einsatz der gefährlichen Rattengifte (in der Fachsprache Rodentizide genannt) müssen strikte Vorschriften und Gesetze eingehalten werden. Dennoch wurden nun selbst in Lebern von Fischen, die ausschließlich konventionell gereinigtem Abwasser ausgesetzt waren, Giftrückstände gefunden.

Städte, Gemeinden und abwassertechnische Betriebe sind im Rahmen des Infektionsschutzgesetzes verantwortlich, potenzielle Krankheitsüberträger wie Ratten zu bekämpfen und die Rattenpopulation zu kontrollieren. Die Bekämpfung erfolgt meist mit antikoagulanten Rodentiziden der 2. Generation. Diese Rattengifte wirken nicht unmittelbar, sondern erst nach einigen Tagen, sodass andere Ratten nicht abgeschreckt werden. Die darin enthaltenen Wirkstoffe sind persistent (P), bioakkumulierend (B) und toxisch (T). Für diese sogenannten PBT-Stoffe gelten strikte Vorschriften und Gesetze bei der Verwendung der Köder. Dazu gehört, dass die Köder ausschließlich von geschulten Rattenbekämpfern verwendet werden dürfen. Und diese müssen sicherstellen, dass es zu keinem Zeitpunkt zum Kontakt zwischen Wasser und Köder kommen kann, da die darin enthaltenen Wirkstoffe bei (Ab-) Wasserkontakt freigesetzt werden können.

Positive Proben selbst bei Fischen, die ausschließlich gereinigtem Abwasser ausgesetzt waren

Dennoch hat die Bundesanstalt für Gewässerkunde im Rahmen eines Forschungsprojekts Rattengiftrückstände in den Lebern von Fischen nachgewiesen. Die Proben stammten dabei teils von Fischen aus deutschen Flüssen, teils von Fischen aus speziellen Teichen, die ausschließlich mit konventionell gereinigtem Abwasser gespeist wurden. Zum einen zeigt die Studie, dass die unsachgemäße Nutzung von Antikoagulanzien der 2. Generation zu deren Anreicherung in der Leber von Fischen führt. Und zum anderen, dass die PBT-Wirkstoffe selbst dann noch von Lebewesen aufgenommen werden, wenn das Abwasser aus den mit Rattengift beköderten Kanälen zuvor in konventionellen Klärwerken gereinigt wurde. So gelangt das Gift mit dem gereinigten Abwasser in Gewässer, wo es offenbar von Fischen aufgenommen wird. Ist das Gift einmal in der Umwelt, bleibt es auch dort.

Umso wichtiger ist es, dass die gesetzlichen Vorschriften und aktuellen Risikominderungsmaßnahmen (RMM) für antikoagulante Rodentizide strikt eingehalten werden. Werden die Giftköder beispielsweise in der Kanalisation eingesetzt, müssen Rattenköderstationen bzw. Köderschutzboxen eingesetzt werden. Denn die herkömmliche Methode, bei der die Köder ungeschützt im Schacht eingehängt werden, wie es vielerorts üblich war, ist selbst dann keine Alternative, wenn die Köder oberhalb der Hochwassermarke angebracht werden. Schließlich erreichen die Ratten die Köder in diesem Fall nur schwer oder gar nicht.

Außerdem lässt sich der gesetzlich untersagte Kontakt zwischen Giftköder und Wasser, z.B. bei einem schnellen Anstieg des Abwasserpegels nach einem Starkregen oder im Falle einer Verstopfung der Kanalisation, so nicht verhindern. „Es ist in der Realität nicht machbar, dass alle am Draht ausgebrachten Formköder eines beköderten Kanalnetzes rechtzeitig vor dem Auftreten beispielsweise von Starkregen- ereignissen aus der Kanalisation entfernt werden“, sagt Dr. Julia Regnery von der Bundesanstalt für Gewässerkunde. „Zudem ist anzunehmen, dass die Häufigkeit des Auftretens unvorhergesehener kurzzeitiger, lokaler Starkregenereignisse durch den Klimawandel weiter zunehmen wird.“

Doch obwohl Bußgelder von bis zu 50.000 Euro drohen, werden die Rattenköder mancherorts weiterhin ordnungswidrig eingesetzt. Und das hat Konsequenzen, wie die neue Studie belegt. Letztlich werden die PBT-Stoffe nicht nur von Fischen aufgenommen, sondern auch von Lebewesen in der weiteren Nahrungskette wie zum Beispiel von Fischottern. „Inwiefern der Verzehr belasteter Fische für Menschen ein Gesundheitsrisiko darstellt, können wir derzeit nicht bewerten“, erklärt Anton Friesen, Fachbegleiter für das Forschungsprojekt beim Umweltbundesamt, das die Studie in Auftrag gegeben hatte. „Allerdings sollten PBT-Stoffe wie die antikoagulanten Rodentizide der 2. Generation aufgrund ihrer schädlichen Eigenschaften grundsätzlich nicht in die Umwelt gelangen“, betont Friesen.

An Köderschutzstationen führt kein Weg vorbei

Wer antikoagulante Rodentizide der 2. Generation in der Kanalisation einsetzt, kommt nicht an wasserdichten Köderschutzstationen vorbei. Mit UniTechnics aus Schwerin, dem Fachwerkzentrum aus Reinhardshagen und ball-b aus Nürnberg gibt es mittlerweile drei deutsche Anbieter entsprechender Lösungen. Am weitesten verbreitet ist dabei das ToxProtect- System von ball-b. Denn dieses verhindert nicht nur mit Hilfe einer Verschlussklappe an der Unterseite der Box den Kontakt zwischen Köder und Wasser, sondern verfügt auch über Bewegungssensoren zur Analyse des lokalen Rattenvorkommens sowie über eine eigene Cloud-Lösung.

Dank der Bewegungssensoren können die Giftköder anlassbezogen, d.h. bei einem zuvor festgestellten Befall, eingesetzt werden, was mittlerweile Vorschrift ist. Die neusten Modelle nutzen zudem bereits Narrowband-IoT-Funk, sodass die Daten der einzelnen Köderschutzstationen direkt in die Cloud übertragen werden. Mitarbeiter müssen also nicht die einzelnen Standorte anfahren, um die Daten auszulesen bzw. die Köderannahme in den Köderschutzstationen zu kontrollieren. Die Informationen stehen zentral zur Verfügung und können über einen Computer, Laptop oder auch über mobile Endgeräte eingesehen werden.

Mit der automatischen Dokumentation wird zudem die gesetzliche Dokumentationspflicht ohne manuellen Aufwand eingehalten. Noch wichtiger als die Minimierung des Zeit- und Personalaufwands ist allerdings, dass sich der Gifteinsatz mit dem System um 90 Prozent reduzieren lässt. Dies ist laut Hersteller kein theoretischer Wert, sondern ein Erfahrungswert der über 200 Städte, Gemeinden und Betriebe in Deutschland, die das System bereits anwenden.

Auch Giftköder in Gewässernähe müssen adäquat geschützt werden

Da laut Umweltbundesamt die in den Fischlebern nachgewiesenen PBT-Stoffe zum Teil auch von oberirdisch ausgebrachten Rattenködern stammen könnten, müssen übrigens auch Rattenköder, die beispielsweise in Ufernähe platziert werden, durch Köderschutzstationen geschützt werden. Von den drei deutschen Herstellern ist ball-b hier der einzige, der entsprechende Boxen anbietet. Steigt das Wasser im Fluss etwa bei Starkregen über die Ufer, bleibt der Köder so trocken und die PBT-Stoffe gelangen nicht ins Wasser.

Weitere Informationen unter:
www.umweltbundesamt.de
www.ball-b.de
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