Dipl.-Ing. Jörn Schröter

Das Wehr War wurde 1933-1934 vom Kreis Grafschaft Bentheim im südwestlichen Niedersachsen im Zuge des Ausbaus der Dinkel, einem Zufluss zur Vechte, gebaut. Das Modellgebiet befindet sich oberhalb der Mündung in die Vechte am Stadtrand von Neuenhaus.

Überschwemmungen bei Hochwasser

Das Gebiet gehört zur „Ems-Weser-Geest“ des Nordwestdeutschen Tieflandes und weist insgesamt sehr geringe Höhenunterschiede auf. Im Nordwesten und Südosten befinden sich lokale Erhöhungen, zwischen denen sich im Hochwasserfall Überschwemmungsgebiete ausbilden.

Das Erscheinungsbild der Dinkel und der Alten Dinkel ist durch Begradigungen, Verlegung in Trapezprofile sowie Einleitungen aus der Entwässerung landwirtschaftlicher Flächen über weite Strecken stark anthropogen überformt. Im Laufe der letzten Jahre ist die Bebauung teilweise nah an die Gewässer heran gerückt, während die älteren Hofstellen meist auf nicht überschwemmten Flächen zu finden sind.

Seitens des Landkreises ist geplant, das Wehr langfristig umzugestalten und durch ein gleichwertiges, wartungsfreies Bauwerk zu ersetzen. Dazu soll das Wehr vollständig rückgebaut werden und etwa zehn Meter unterstrom auf gesamter Gewässerbreite eine Sohlgleite mit Beckenstruktur entstehen. Die Wiederherstellung der ökologischen und morphologischen Durchgängigkeit der Dinkel steht im Vordergrund der Umgestaltung, vorzugsweise ohne Verschlechterung der bestehenden hydraulischen Verhältnisse.

Modellentwicklung für Planungsvarianten

Zur Beurteilung des durch den Auftraggeber bereits erarbeiteten Konzeptes wurde die LINDSCHULTE Ingenieurgesellschaft mbH aus Nordhorn beauftragt, für einen etwa drei Kilometer langen Abschnitt ein zweidimensionales Modell aufzubauen, um Wasserspiegellage und Fließgeschwindigkeit des IST-Zustandes und der Planung vergleichen zu können.

Dazu war zunächst der Ist-Zustand der bestehenden Wehranlage zu erheben sowie die maßgeblichen Lastfälle zu ermitteln. Auf dieser Grundlage wurden für den IST-Zustand sowie für die möglichen Planungsvarianten Modelle aufgebaut und unter Einhaltung identischer hydraulischer Bedingungen Simulationsläufe durchgeführt.
Die Geometrie der vom Auftraggeber vorgesehenen Sohlgleite ist auf Basis der Simulationsergebnisse iterativ zu variieren, bis die geforderten Bedingungen weitest möglich erfüllt sind:

• Im Lastfall MNQ (mittlerer Niedrigwasserabfluss) sollen die oberen Riegel der Sohlgleite nicht benetzt sein. Darüber hinaus muss die „Alte Dinkel“ auch im Niedrigwasser-Fall ausreichend Wasser führen, da sie einen Mühlenstandort beschickt und ein trockenes Flussbett im nahen Ortszentrum nicht gewollt ist.
• Im Lastfall MQ (Mittelwasserabfluss) darf sich der Wasserstand am Bauwerk nicht negativ verändern, die Riegel sollten zur Vermeidung von Verklausungen leicht überströmt werden.
• Im Lastfall HQ100 darf die Hochwassersituation für Ober- und Unterlieger nicht relevant verschärft werden (Hochwasserneutralität).

Detaillierte Untersuchung und Simulation

Mit der hydraulischen Untersuchung wurde die Variante einer Sohlgleite als Ersatzbauwerk für das bestehende Wehr untersucht. Es zeigte sich im Vergleich der Wasserspiegel und Fließgeschwindigkeiten zwischen derzeitigem Zustand (Wehranlage) und Planung (Sohlgleite) deutlich, dass die geplanten Anpassungen der Sohlgleite nicht ausreichen, um alle Bedingungen – insbesondere die Hochwasserneutralität – zu erfüllen.

Um die Anforderungen des Auftraggebers mit denen des Hochwasserschutzes in Einklang zu bringen, wäre es notwendig, den hydraulischen Querschnitt der Sohlgleite zum Beispiel durch ein Umgehungsgerinne oder die Aufweitung des Brückenquerschnittes weiter zu vergrößern.

Fazit:Renaturierung ingenieur- technisch machbar

Aus ingenieurtechnischer Betrachtung ist die geplante Maßnahme technisch aber grundsätzlich machbar und mit der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie in Einklang zu bringen.

Weitere Informationen unter:
www.lindschulte.de
KD1604079
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